DAS LICHT ALS AKTEUR
Burkhard Brunn
In einem doppelstöckigen Wagon der Regionalbahn trifft der Blick über zwei blaue Sitzlehnen durch die Glastür links oben auf eine – zwei, drei Stufen hoch – regungslos sitzende, blonde, junge Frau. Das Sonnenlicht huscht über das senkrecht in der Bildmitte verlaufende Geländer, zappelt auf der Stufe und gleitet die Haltestange hinauf und hinab. Das unruhige Licht ist Akteur im Raum. Hinter den angeschnittenen Fenstern fliegen – gerade noch erkennbar – die Bäume vorbei, draußen die Geschwindigkeit, drinnen eine mal heller schimmernde, mal dunkler werdende statische Stille, durchzittert oder heftig unterbrochen durch irrlichternde Lichtflecken, begleitet von horizontal dahinziehenden, ungewissen und rätselhaften Spiegelungen der Landschaft. Oben rechts im Bild ein Monitor zur Information der Reisenden, der nur rot, grün und blau
flackert. Da plötzlich rot über alles. Rote Fläche. Wie eine Explosion des Monitors. Dann die bewegungslose Frau im Profil und das herumgeisternde Licht. Plötzlich grün über alles. Grüne Fläche. Dann die bewegungslose Frau und das umherschleichende Licht. Plötzlich blau über alles. Blaue Fläche. Licht im Raum oder farbige Fläche? Raum oder Fläche, ein altes Problem der Malerei. Da nähert sich frontal und groß die Schaffnerin, die junge Frau wendet den Kopf und wird gleich aussteigen.